Haushalt 2023: Die Schuldenfrage – Ein Dilemma?Bündnis 90 / Die Grünen signalisieren Kompromissbereitschaft bei Erhöhung der Gewerbesteuern / Keine Erhöhung bei den Grundsteuern

Der Gemeindehaushalt in Wallenhorst und die Schuldenfrage: Eine in der Öffentlichkeit und Politik mitunter kontrovers geführte Debatte, die sich immer wieder um eine Frage dreht – Hat die Gemeinde Wallenhorst zu viele Schulden?
Wenn man einfach auf die im Raum stehende Zahl von einem maximalen Schuldenstand von aktuell 36,17 Mio. Euro Ende 2022 bis an die ca. 50 Millionen Euro in 2024 (mit danach abnehmender Tendenz) ansetzt, ohne diese Zahl weiter zu hinterfragen, kann man diesen Eindruck gewinnen. Aber zur Fairness in dieser Debatte gehört, dass man sich die Zahlen und Zusammenhänge im Haushalt genauer anschauen muss.
Um es vorab auf den Punkt zu bringen: Wir sind gegen eine weitere Erhöhung der Schuldenlast. Wer das aber will, kommt um die Frage weiterer Einnahmen über Steuern oder eine Kürzung bei den freiwilligen Leistungen einer Kommune nicht umhin. Ein Aspekt ist an dieser Stelle wichtig und er betrifft aktuell alle Haushalte der Städte und Gemeinden. Aufgrund des Krieges in der Ukraine und der gestiegenen Energiekosten, steigender Bau-, Unterhaltungs- und Materialkosten sowie inflationsbedingte Steigerungen sind Mehrausgaben klar erwartbar. Diese belasten die kommunalen Haushalte, auch in Wallenhorst.
Standpunkt Bündnis 90 / Die Grünen zum Haushalt 2023
Wir haben uns bisher gegen eine Steuererhöhung positioniert, jedoch mit der Einschränkung, dass wir immer die Finanzlage der Gemeinde im Blick behalten. Die Finanzlage gerät, um es ungeschminkt auszudrücken, aufgrund etlicher anstehender nicht mehr umkehrbarer Investitionen, steigender Energie-, Unterhaltungs- sowie stark ansteigender Materialkosten mittelfristig in eine Schieflage, sofern nicht durch ein Justieren auf der Einnahmeseite reagiert wird. Dies ist aus unserer Sicht dringend geboten. Für den Haushalt 2023 bedeutet das für die Position von Bündnis 90 / Die Grünen, dass wir die Grundsteuern nicht erhöhen, um eine weitere direkte und unmittelbare Belastung von Immobilien-besitzer:innen und Mieter:innen zu vermeiden – als vorrangigen Aspekt möchten wir hier unter sozialen Gesichtspunkten keine weiteren Belastungen sehen.
Eine Kompensation des Haushaltes auf der Einnahmeseite durch eine Gewerbesteuer-erhöhung bis zu 400 Punkten können wir mittragen. Wichtig ist uns bei einer möglichen Erhöhung der Gewerbesteuer folgendes: Einzelunternehmen und Personengesellschaften sind durch die Erhöhung nicht belastet, da die höhere Gewerbesteuerbelastung bei der Steuerschuld geltend gemacht werden kann. Bei Kapitalgesellschaften kommt die höhere Gewerbesteuer nur anteilig auf die erwirtschafteten Gewinne zum Tragen.
Man kann hier zwei Sichtweisen anlegen: Eine Belastung für die Betriebe oder eine moderate Erhöhung der Gewerbesteuerbeiträge, um die Attraktivität von Wallenhorst als Wohn- und Firmenstandort zu erhalten und auszubauen. Es bleibt eine Abwägungsfrage. Es sei auch darauf hingewiesen, dass die Gemeinde Wallenhorst aktuell 40 Punkte unter dem Durchschnitt aller niedersächsischer Kommunen bei der Gewerbesteuerhöhe liegt. Zwei weitere Aspekte sind uns auch sehr wichtig: Es sind zum einen Gegenwerte in der kommunalen Infrastruktur geschaffen worden (Kindergärten, Schulen und Energieversorgung/Breitband) und zum anderen sind in 2019 die Straßenausbaubeiträge abgeschafft worden. Zur Wahrheit gehört, dass die Instandhaltungen der Verkehrsinfrastruktur folglich jetzt und in Zukunft eine kommunale Aufgabe mit erheblichen Belastungen im Haushalt darstellen. Das ist unseres Erachtens ebenfalls ein nicht zu unterschätzender Faktor für die Haushalte in den kommenden Jahren!
Was ist für den kommenden Haushalt noch zu beachten?
Eine dauerhafte tragfähige Haushaltswirtschaft – begleitet von den beiden Aspekten Kosten im Blick behalten sowie der Prämisse der beabsichtigten Erhöhung der Gewerbesteuer – setzt voraus, dass die Kredite für Investitionen aus dem laufenden Kassenbetrieb gedeckt werden können (eine gesetzliche Vorgabe). Oder anders ausgedrückt: Es sollte im Jahr genug Geld auf dem Gemeindekonto sein, um die Kreditverbindlichkeiten zu bedienen. Aus den Ergebnissen der Prüfungen durch die Kommunalaufsicht ist ersichtlich, dass die Gemeinde Wallenhorst zu den 9 von 38 Kommunen im Landkreis Osnabrück gehört, die solche Überschüsse erwirtschaftet haben und darüber hinaus auch sog. „freie Mittel“ für Investitionen besitzen (Stand: 31.12.2021). Das sollte unseres Erachtens unbedingt beibehalten werden und genau deshalb sollte vorrangig die weitere Verschuldung abgebremst werden. Die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur wie Kindergärten, Schulen und öffentliche Wege und Straßen sind zum einen nicht umkehrbar, eventuell ist die eine oder andere Maßnahme verschiebbar. Wir würden es sehr begrüßen, wenn den auf die auch hier im Bürgerecho angekündigten Verlautbarungen alles auf den Prüfstand zu stellen auch konkrete Vorschläge folgen würden. Eine von vielen Ideen und Ansatzpunkten von unserer Seite dazu wäre, dass durch eine gute und effiziente Aufsicht bei der Bauausführung die Kosten besser im Blick gehalten werden können.
Investitionen in Bereiche, die auch Erträge bringen?
Bereiche, die Rendite bringen im öffentlichen Sektor – wir geben zu, kein unmittelbarer Gedanke für kommunale Beteiligungen wie z.B. an den Gemeindewerken Wallenhorst. Aber es lohnt sich, hier genauer hinzuschauen. Mit den Gemeindewerken besitzt die Gemeinde eine Einrichtung, die durch den Besitz an den Strom-, Gas- und Breitbandnetzen mittelfristig aus den getätigten Investitionen in eine Ertragssituation gelangt. Die Erträge kommen auch der Gemeinde zu Gute – eine in der Vergangenheit mit Weitsicht getroffene Entscheidung wie wir meinen. Erträge, die in Teilen in Zukunft auch helfen, die Infrastruktur der Gemeinde instand zu halten.
Insbesondere auf die Strom- und Wärmeversorgung in der Gemeinde gilt es, in Anbetracht der Energiekrise und damit verbundener hoher Kosten für die privaten Haushalte den Fokus zu richten. Wir haben verschiedenste Maßnahmen im Rahmen der Haushaltsdiskussion vorgeschlagen:
Zuschüsse für Photovoltaik, Balkon-PV, energieeffiziente (Heizungs)-pumpen, Lastenfahrräder/-anhänger, Entsiegelungen von Flächen, Anpflanzungen, Biotope schaffen, Begrünungen von Dachflächen, Rigolen, Infoformate für die Bevölkerung und weitere geeignete Maßnahmen.
Finanzielle Anreize für Bürger:innen über den Gemeindehaushalt sollen die Energiewende in den kommenden Jahren mit unterstützen. Der Weg hin zu einer energieautarken Kommune muss weiter aktiv beschritten werden und er bietet für alle Beteiligten Vorteile: Eine sichere und preislich attraktivere Sicherung der Strom- und Wärmeversorgung für alle Bürger:innen, die auch die nationalen Klimaschutzziele unterstützt, ist das Ziel. Bis dahin ist es noch ein langer Weg und für den aktuellen Haushalt schlagen wir einen „atmenden Fördertopf“ vor. Das heißt, wir werden uns anschauen wo die Nachfrage aus der Bevölkerung bei Energiesparmaßnahmen am höchsten ist und diese „Töpfe“ mittels eines Handlungs-programm gezielt finanziell ausstatten. Wer aktiv in diese Richtung geht, soll durch eine finanzielle Unterstützung erhalten. Die Signale aus der Verwaltung und einigen Fraktionen sind positiv. Hier gilt es im neuen Jahr sehr zeitnah anzuknüpfen und die Fördermaßnahmen schnell auf den Weg zu bringen.
Kein einfacher Weg, aber in unseren Augen alternativlos und finanziell betrachtet kein Dilemma. Zu glauben, dass fossile Brennstoffe auf Dauer preiswerter werden ist unwahrscheinlich. In anderen Kommunen (Saerbeck in NRW) geht man diesen Weg, um bis 2030 energieautark zu sein. In der Stromversorgung hat es diese Kommune bereits geschafft. Der Schlüssel dafür war und ist es noch, dass eine Bereitschaft und Unterstützung innerhalb der Bevölkerung vorhanden ist. Wir sehen solche Signale auch hier vor Ort, aktuell vor allem in dem verstärkten Wunsch sich eingehender zu informieren. An der Wärmewende, also dem Umstieg auf CO2-neutrale Heiztechnik, führt kein Weg vorbei. In diese Richtung werden in der Gemeinde und vor allem den Gemeindewerken Wallenhorst auch die Gespräche im kommenden Jahr gehen. Hier werden wir uns als Bündnis 90 / Die Grünen in Form von konkreten Vorschlägen und unter Einbindung weiterer Expertise positionieren. Jetzt ist Handeln und guter Wille gefordert, Unterstützung von Nöten – auch finanzielle außerhalb des Gemeindehaushaltes in Form von Förderungen – sowie Bürgerengagement, gemeinsame Ideenfindung, gegenseitige Inspiration und nicht zuletzt ein MITEINANDER in der Gemeinde.


Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen Wallenhorst

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